Wie ich versuchte Estnisch zu lernen

Mina, sina, tema, sagt Britt, meine Lehrerin und bewegt dazu ihre Hände: zu sich, von sich weg, zur Seite. Es ist die Eselsbrücke, die mir ich, du, er/sie/es leichter machen soll. Es funktioniert. Aber eigentlich verwenden alle nur die Abkürzungen, ma, sa, ta.

Meie, teie, nemand, wir, ihr, sie, geht es weiter. Schreibt man Teie groß, heißt es Sie – auch im Estnischen gibt es diese formelle Anrede.

Meie Tartu, habe ich kürzlich auf einem Plakat des Stadtmuseums gelesen. Wir Tartu? In dem Fall bedeutet es unser, sagt Britt.

Seit ich in Tartu bin, versuche ich etwas von der Sprache zu lernen. Weil ich es spannend finde, weil ich ein bisschen verstehen möchte was die Leute reden, weil Sprache Teil der Kultur ist. Die meisten rechnen dir das hoch an, wenn du versucht Estnisch zu sprechen, sagt Britt.

„Wie ich versuchte Estnisch zu lernen“ weiterlesen

Kultur ist wie Klebstoff

Vor ein paar Tagen hatte ich die Gelegenheit mit Bürgermeister Urmas Klaas zu sprechen. Er empfing mich im Rathaus, in seinem Büro im ersten Stock. An der Wand hängt ein Luftbild der Stadt, am Regal prangen die Sterne der Europafahne, hinterm Schreibtisch: Ein graublauer Sitzsack mit Klaas‘ Vornamen drauf. Normalerweise kann Tartus Bürgermeister von hier aus die Menschen über den Rathausplatz spazieren sehen, gerade ist der Blick von einer riesigen Bühne versperrt. Kulturhauptstadtfeierlichkeiten.

Herr Klaas, Deutschland und Estland haben eine lange gemeinsame Geschichte. Das Rathaus, in dem wir sitzen, wurde von einem Rostocker Architekten entworfen, bis 1917 waren viele Bürgermeister Deutschbalten. Wir führen das Interview auf Deutsch, was ist Ihre persönliche Verbindung zu Deutschland?

„Kultur ist wie Klebstoff“ weiterlesen

Das Archiv

Volkszählung? Es gab damals eine Volkszählung? Meine Augen werden groß und größer. Volkszählung, das heißt amtlich erhobene Daten, statistisch ausgewertet und aufbereitet. Zumindest denke ich das. Ich will wissen, wie die Bevölkerung in und um Tartu beziehungsweise Dorpat im 19. Jahrhundert aussah, so rein zahlenmäßig.

In Dorpat gab es kaum Deutschbalten, hatte mir ein paar Wochen zuvor jemand erzählt, die Zahl fünf Prozent in den Raum gestellt. Aber dann lese ich ständig und überall von deutschbaltischen Wissenschaftlern, Schriftstellern, Politikern, Baumeistern. Karl Ernst von Baer (der „Alexander von Humboldt des Nordens“), Johann Heinrich Bartholomäus Walther (Dorpater Stadtbaumeister, entwarf u.a. das Rathaus), Georg von Oettingen (Bürgermeister 1878-1891), Carl Schirren (Historiker, an der Uni als Professor tätig). Die Liste ließe sich ewig fortsetzen – mit Männern, Frauen finde ich in den Geschichtsbüchern so gut wie nie.

„Das Archiv“ weiterlesen

Die Zwiebelstraße

Wer dem Kulturforum auf Social Media folgt, hat es schon gesehen: Vergangene Woche war ein Filmteam aus Potsdam in Tartu. In der Hauptrolle: die Stadt – und ich. Eine ziemlich ungewohnte Situation. Ich habe vor vielen Jahren mal als Komparsin bei TV-Produktionen mitgespielt, allerdings geschminkt und verkleidet, ohne Text und nur im Hintergrund. Nun also groß und in Farbe, moderieren, Interview geben, Interviews führen, Protagonistinnen treffen – es sollte ja ein echter Einblick in die Arbeit als Stadtschreiberin sein. Ich bin schon gespannt auf das Ergebnis, fertig soll der Film im Herbst sein.

„Die Zwiebelstraße“ weiterlesen